Dorothea Kriebelbein – dritte Leseprobe

 

Emils Tod

Die Nacht ist schwül, das schmale Bett ächzt unter der Last unserer Körper, Gott schläft nicht. Er wälzt sich hin und her, meine Augen fallen zu. Bevor ich einschlafe, räkelt sich ein letzter Gedanke: Wo ist Emil?

In der heißen Nacht schwang ich mein Becken, Tilo feuerte mich an. Der Sauerstoff in meinem Becken gerät in Brand, das Feuer frißt mich auf, Tilo stöhnt seinen Baß in mein Ohr. Tante Dorothea hat sich hinter der Tür versteckt, ihr Kopf schaut vorsichtig hervor, sie hat meine Haare aufgesetzt. Wir spielen Versteck, sagt sie. Tilo dreht sich um und flucht: »Daß diese Tür so schrecklich quietschen muß!«

Ich habe genug von diesem Feuer, ich will meine Ruhe, aber Tilo schiebt sich an mich, schubst mich von hinten, drängelt und bohrt, …bis ich erwache. Mein Bett ist nicht rund, es ist eng. Von hinten wühlt ein Gott seinen Leib an mich, er atmet stoßweise und pumpt den mittleren Teil seines Körpers gegen mein Gesäß.

»Entschuldigung«, sage ich, »ich möchte gern schlafen.«

»Mmmhh… aahh… mmh… umpf…«

Ich werde mächtig durchgeschüttelt. An Schlaf ist im Moment nicht zu denken. Ich versuche es noch einmal: »Entschuldigen Sie, haben Sie einen schlimmen Traum?«

»Traum?… Traum!… Uff! Oorg! Woor!«

»Vielleicht hilft es, wenn Sie wach werden«, sage ich.

Bald wird mir schlecht von dem Geschuckel. So unruhig war die Nacht noch nie.

»Wollen wir nicht einfach in Ruhe den Rest der Nacht verschlafen?«, frage ich.

»Umpf! Das haste dir gedacht! Uuurrg! Ahh! Uff! Pennen is nich! Kannste vergessn!«

Wenn ein Gott dich minnen will, dann hilft kein Sträuben. Was soll ich tun? Ich tue nichts. Was tut er? Er schiebt mein Nachthemd hoch. Er drängelt und stößt und schimpft. Er gibt keine Ruhe, er grummelt und schiebt, er stöhnt wild, er stöhnt laut. Seine Hände machen sich an meinen Brüsten zu schaffen, es schmerzt ein bißchen. Ich weiß mir nicht zu helfen und gebe ihm nach, lasse ihm seinen Willen. Und sein Wille macht sich knöchern an meinem Hinterteil und zwischen meinen Schenkeln zu schaffen. Nach einer Weile wird er ruhig, sein Wille ist jetzt schwach, er läßt ab von mir.

Die übrige Nacht schaut mir zu, wie ich vergeblich um Schlaf ringe. Der Schnarchton an meiner Seite begleitet mich bis in die frühen Morgenstunden. Als die ersten Vögel der Nacht Auf Wiedersehen singen, als Eos der Dunkelheit von ihrem Kommen kündet, da schließen sich meine Augen: für heute haben sie genug gesehen.

 

Mein kleiner Reisewecker stößt einen Schrei aus: ich erwache. Der Tag ist wie neugeboren, jung und unerfahren, ich bin allein. Von Göttern keine Spur, nur das Bettlaken hat Flecken. Ich habe nicht viel Zeit, mein Dienst ruft, ich stehe auf, besuche das Badezimmer im Flur und wasche mich besonders gründlich. Zurück in meine Nonnenklause, fertig anziehen, Bett machen, Fenster schließen. Ich will aus dem Zimmer gehen. Da sehe ich: Ich bin verlassen. Auf dem Tischchen klebt schwarz und verschmiert die Leiche des kleinen Emil.