Pillnitzer Geschichten – zweite Leseprobe
Endlich!
Ich ging allein spazieren, am Fluß entlang. Der Sturm blies mir entgegen, als wolle er mich halten, festhalten, abhalten? Ich hing meinen trüben Gedanken nach, tief in mich versunken. Wellen kräuselten den Fluß, und obwohl ich entgegen der Strömung ging, schienen die gekräuselten Wellenkämme zu stehen, wie in Blei gegossen, bleierne Schwere.
Ich senkte den Kopf, stemmte den Hut in den Wind. Wie in Trance setzte ich einen Fuß vor den anderen, wieder und wieder. Mein Rhythmus trieb mich voran, vorwärts, kein Blick zurück, weg vom Getöse der Menschen. Mein Herz schlug im gleichen Rhythmus. Der Fluß stand starr neben mir. Unvermittelt ließ der Sturm etwas nach. Die Bleiwellen begannen sich zu lösen. Ich blickte auf – da sah ich sie, einsam auf einer Bank.
Guten Tag, schöne Unbekannte.
Hallo, sind Sie immer so charmant?
Nein, nur bei schönen Unbekannten, die einsam auf einer Bank am Fluß sitzen, bei Sturm. Doch Sie sehen traurig aus.
Ja, ich bin traurig.
Warum?
Weil ich allein bin und mit niemandem meine Sorgen und Freuden teilen kann.
Haben Sie keine Familie, keinen Partner, keine Kinder?
Ich habe Kinder, doch die sind weit verstreut in der Welt und leben ihr eigenes Leben, und das freut mich. Es ist der Lauf der Dinge. Und Sie? Sind Sie allein? Sie sehen auch traurig aus.
Ja, ich bin traurig. Ich setzte mich neben sie auf die Bank.
Warum?
Ich verzweifle an den Menschen. Sie sind so egoistisch und zerstörerisch.
Aber was hat das mit Ihnen zu tun?
Ich bin doch auch ein Mensch.
Aber doch ein guter. Sie rückte näher an mich heran, und mir wurde warm.
Manchmal vielleicht.
Jedenfalls sind Sie sehr freundlich und wirken nicht zerstörerisch auf mich. Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter, als Beweis ihres Vertrauens?
Vielleicht bin ich ja selbstzerstörerisch? Sie sah mir tief in die Augen.
Dann kann ich dir helfen. Sie schloß die Augen und küßte mich zärtlich. Ich nahm sie in die Arme.
Wie heißt du?
Ich heiße Einsamkeit.
Ich hatte sie gefunden, endlich!